Tag 17 — Mestia im Regen
So ein Mist: Wir sitzen in den Bergen und es schüttet wie aus Kübeln.
Nach gemütlichem Ausschlafen gehen wir noch guter Dinge zum Dorfplatz, um in einem Cafe zu frühstücken, das im Reiseführer empfohlen wird. Die Kinder sind zu träge und wollen nicht mit, aber als wir 50 m die Dorfstraße runter sind, kommt uns der Herr Li doch hinterher. Brrr, bei nur rund 18 Grad holt er sich noch schnell einen Pulli.
Im Cafe wähle ich einen Tisch direkt an der Hauswand. Der ist zwar niedrig und die kleinen Bänke daran sind eng, aber er hat den Vorteil, dass er unter dem Vordach geschützt steht. Nach unserem Erlebnis beim Essen gestern…
Und als hätte ich es geahnt, kaum steht der leckere Käsekuchen vor uns, bricht der Himmel auseinander. Na super. Wenigstens sitzen wir trocken, das Vordach hält. Allerdings wird es noch etwas enger, denn die herumstreifenden Streunerhunde suchen nun ebenfalls unter dem Vordach und unter unserem Tisch Schutz vor dem Regen. Es bildet sich sozusagen eine Schutzgemeinschaft und wir müssen die Füße einziehen.
Bei dem Gepladder kommen wir hier auch nicht mehr weg. Am Ende sitzen wir über drei Stunden fest. Genügend Zeit, um mit zwei Deutschen am Nebentisch (auch mit Hundebedrängung) ins Gespräch zu kommen und Reiseerlebnisse auszutauschen.
Wir bekommen Wandertipps — sie haben den nigelnagelneuen Rother — und erfahren, dass die Wanderstrecke zum Gletscher derzeit gesperrt ist. Doppelter Mist, das ist genau DIE Wanderung, für die wir hergekommen sind.
Als der Regen endlich so dünn wird, dass wir gehen können, versuchen wir, nähere Infos in der Tourist-Info zu bekommen. Die aber hat „Pause“ — um drei Uhr???!!!
Also geht es zurück zur Pension. Vorher halten wir an einer Bäckerei. Hier wird das super leckere Fladenbrot gebacken: Der Teig wird in ein längliches Oval auf ein Kissen gelegt und dann darauf in der Mitte etwas breit gezogen. Dann klatscht der Bäcker das Brot mithilfe des Kissens mit einer energischen Bewegung innen an die Wand eines runden, in den Boden eingelassenen Ofens. Er muss sich dabei ganz schön weit in den Ofen hinunterbeugen. Und es ist super heiß darin…!
Dort an der Ofenwand klebend backt das Brot, bis der Bäcker es nach wenigen Minuten mit einer langen Stange mit Haken dran herausfischt.
Wir wollten nur ein Brot, aber wir mussten warten. Denn die Frau und ein Polizist vor uns kaufte 14 Stück. Wir hatten dadurch genügend Zeit, den Bäcker zu beobachten.
Zwischendrin gab es etwas Verwirrung: Ein Tourist kam nämlich hinzu und fragte nach Fisch. Man erklärte ihm, dass dies ein Bäcker sei. Ja, wo es denn dann Fisch gäbe, fragte er weiter. Das konnte offenbar nicht einmal der Polizist beantworten, nur Vinnie- gab geistesgegenwärtig den Tip: „Perhaps in the river?“, was den Touristen aber sichtlich nicht zufrieden stellte.
Dass es wenig ratsam ist, an diesem Fluss — oder sind es eigentlich sogar zwei — auch nur irgendwas zu versuchen, zeigte sich uns dann später am Nachmittag: Als es später weiter aufklarte, machten wir uns nämlich auf eine kleine Erkundungstour durch den Ort.
Dabei wagten wir uns auch über zwei Brücken. Unter ihnen, tief eingeschnitten in Fels, tobt das Wasser. Ich glaube, ich habe noch nie solch tobende Wasser gesehen, ziemlich gruselig und faszinierend zugleich.
Vom anderen Ufer hatten wir auch endlich einen schönen Blick auf den alten Ortskern mit den berühmten Türmen. Und weil die Wolken sich gehoben haben, können wir sogar sehen, dass der Fluss oberhalb des Ortes breit ist und wir erkennen auch den Schnee auf den Bergen.
Und die Info hat offen. Aber die Auskunft ist niederschmetternd: Der Weg zum Gletscher muss freigeräumt werden und wird auf absehbare Zeit nicht geöffnet. Und auch aus der alternativen Wanderung, die uns die deutschen Urlauber im Cafe empfohlen haben, wird evtl. nichts: Die Seilbahn fährt wetterbedingt nicht, man muss an jedem Morgen neu nachfragen.
Allerdings ist es gerade mit dem Wandern auch aus einem anderen Grund schwierig: Vinnie- hat eine engere Beziehung zum Klo aufgebaut. Auch die Dorfrunde müssen wir schließlich recht eilig beenden, weil es ihn zunehmend dringlich nach dem Örtchen sehnt. Wir holen schnell noch Bier und Bananen im Supermarkt, dann müssen wir eilen. „Er erreicht den Ort mit Müh und Not…“
Abends essen wir darum am Buffet in der eigenen Pension. Zum Schluss die gute Idee: Zur Darmsanierung muss ein Dschdscha her!
Es dauert etwas, bis eine Bedienung an der Bar auftaucht. Und dann, bis diese den Dschdscha findet: In der großen Wasserflasche im Bar-Kühlschrank ist nämlich irritierenderweise kein Dschdscha, sondern… Wasser! Sie geht dann in den hinteren Bereichen suchen und findet den Klaren in einer 2-Liter-Bierflasche.
Eingeschenkt ist rasch, dann beginnt die nächste Suche: die nach Wechselgeld!
Als Vinnie- endlich mit dem begehrten Stoff zum Tisch kommt, sind gefühlt 20 min rum. Aber nun wird ja alles gut!
Doch dann: Ihgitt! Dieser Dschadscha, gebraut hier im Ort, wie Vinnie- stolz erklärt worden war, riecht extrem wie Uhu. Also wie das alte, echte Uhu. Das mit den organischen Lösungsmitteln.
Und das Schlimmste: Er schmeckt auch so. Brr. Vinnie- beschließt, dass das Gebräu um so besser den Darm desinfizieren werde und kämpft sich durch beide Portionen. Vermutlich wird der Darm nun aseptisch sein.
Der Rest des Abends steht für den Wins aber erst einmal ganz herzlich im Zeichen der „Landflucht“ — trotz Banane und Dschadscha.
Morgen werden wir dann auf die Suche gehen nach „guten Bakterien“, die in das dann leergefegte Land einziehen und es wieder urbar machen wollen. So wie mittlerweile draußen der Regen wieder tobt, kann es allerdings sein, dass wir dafür ein Boot brauchen…
Und dann gibt es spät abends plötzlich auch das: Mitten im gießenden Regen wird ein ein kleines Feuerwerk abgebrannt!
Vermutlich eine Hochzeit…