Tag 16 — Fahrt nach Mestia
Sehr herzlich war der Abschied von unseren Gastgebern in Grigoleti Beach. Barsche Zurückweisung unseres Versuches, Trinkgeld zu geben. Umarmung, Küsschen, „wait please“… Sie kehrt wieder mit einem Geschenkpaket mit zwei Tassen als Erinnerung.
Auf der „Parkplatz-Wiese“ sind wir zugeparkt. Kurzerhand wird die aufgehängte Wäsche zur Seite geschoben, die Leine mit einem Besen angehoben und so können wir unter der Wäsche durch hinausmanövrieren. Ich liebe diese kleinen Erlebnisse.
Zunächst geht es nach Poti, hier landete einst Jason auf der Suche nach dem goldenen Vlies. Ob er die Rioni-Mündung zum Anlegen nutzte? Wir freuten uns auch sehr, unseren Kutaissi-Fluss wiederzusehen, aber er ist hier riesig breit und groß — nicht wiederzuerkennen, wenn man an es mit dem reißenden Felsgehupferle vergleicht, an dem wir die Kutaissi-Abende verbrachten.
Wir müssen auch in Poti „anlegen“, denn es müssen die beiden georgischen SIM-Karten verlängert werden. Und wir brauchen Bargeld.
Geld ist schnell gezogen und dann geht es zum Telefonladen. Noch einmal 1500 MB Datenvolumen für zwei Wochen – das kostet schlappe 3 Lari. Drei Lari sind ungefähr ein Euro…
Aus Gerechtigkeitsgründen kaufen wir dann auch für Nele ein SIM-Karte mit Datenvolumen. Also noch einmal drei Lari berappen — plus zwei Lari für die Karte selbst und das Einsetzen und Konten aufladen ist im Preis enthalten.
Diese Aufladungen werden an Terminals vorgenommen, solche Teile stehen hier in den Städten an jeder Ecke. An jeder! Man kann dort offenbar alles mögliche zahlen/buchen/aufladen, die Bildschirme sind voller Logos und man sieht oft Leute davorstehen, herumtippen, Münzen einwerfen…
Der Laden von „beeline“ war dank beeline-App schnell gefunden. Er liegt (noch) an der Haupt-Einkaufsstraße. Diese beginnt hinter dem Standesamt — auch hier weht wieder die EU-Flagge — und ist in einem abenteuerlichen Zustand. Die Bürgersteige fehlen komplett und der Straßenbelag auch teilweise. So ist alles eine Fußgängerzone, allerdings läuft man über Schutt und Sand und Matsch. Vor einer Apotheke ist ein richtiger See, auch zu vielen anderen Läden muss man über Bretter balancieren. Schnell werden auch noch Getränke und „Notriegel“ besorgt, im „Wallmart“ 🤣
Alles erledigt, ab nach Mestia. Die Fahrt geht durch ewig lange, schnurgerade Allen mit riesigen Platanen. Ich liebe Platanen!
Dann endlich beginnen die Berge. Die Straße ist top, alles fährt weiterhin 80-90 km/h. Aber es ist nur noch wenig Verkehr, sehr angenehm. Eine breite, langgezogene Kurve, top Straßenbelag. Warum auch immer, ich beschließe vom Gas zu gehen. Glücklicherweise, denn halb um die Kurve ist die Straße voller Kühe.
Ich wundere mich ja eh immer, dass es so wenige Kuh-Unfälle gibt, aber irgendwie haben die Leute wohl einen sechsten Sinn und der hat sich übertragen.
Tatsächlich gibt es oft Vorwarn-Hinweise, beispielsweise wenn mehr Kuhfladen an/auf der Straße liegen. Und es gibt auch „Zeiten erhöhten Kuhaufkommens“, nämlich am frühen Abend, wenn sich die Tiere von selbst auf den Weg machen — wohin auch immer.
Weiter geht es auf bestem Straßenbelag in die Berge, wir nähern uns einem gigantischen Stausee. Und Hunger kommt auf, also Augen auf nach einem Restaurant mit Seeblick!
Kurz nach einer Pinkelpause rauschen wir an einer unscheinbaren, kleinen Hütte vorbei — aber aus dem Augenwinkel sehe ich hinter der Hütte den See durch die Bäume blinken.
Eigentlich blöd, schon wieder anzuhalten. Zudem schwierig und mühsam, auf der Kurvenstrecke zu wenden. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, es könne lohnen.
Und WIE es lohnte. Von der Terrasse des Holzhäuschen-Restaurants eröffnet sich ein grandioser Blick auf den Stausee. Das Wasser leuchtet in der Sonne türkisgrün.
Wir setzen uns auf die Terrasse, die Bestellung ist einfach, denn der junge Wirt spricht gerade so ausreichend Englisch („yes/no, one, two, three, four, very good“, mehr braucht es ja auch nicht). Das Essen — super leckere georgische Küche natürlich — kommt rasend schnell. Und gleichzeitig hat uns der Regen eingeholt, der uns unterwegs schon begegnet war.
Der Wirt bringt einen Schirm und steckt ihn in die Tischmitte, wir rücken eng an den Tisch und eine Weile sieht es so aus, als würden wir so klarkommen. Aber dann legt der Regen noch eine Schippe nach und wir müssen doch ins Häuschen-Innere fliehen.
Hier gibt es genau zwei Esstische, der eine ist belegt, zum anderen tragen wir unsere Teller und setzen uns.
„Sorry, sorry“, entschuldigt sich der Wirt für das Wetter. Und während wir uns wieder unseren leckeren Essen zuwenden, kommt er mit einer Flasche Hochprozentigem. Den georgischen „Cognac“ haben wir schon im Mana-Mana kennen- und nicht besonders schätzen gelernt.
Aber da muss Vinnie- nun durch, wie es geht, nämlich auf einen Schlag wegkippen, weiß er mittlerweile und so erntet er volle Anerkennung vom Wirt. Und: Hier schmeckt der „Cagnac“ auch besser.
Gleich gibt es noch einen. Und dann noch einen für den Herrn Li, der nach längerem Drängen einmal nippt. Danke nein, das Glas geht also auch an Vinnie-.
Ich bin als Autofahrerin raus (Gottseidank!), da kommt der Wirt schon wieder mit der Flasche. Diesmal gibt einer der Männer vom anderen Tisch einen aus, Vinnie- will schon wieder kippen, kann grad noch stoppen, denn es gibt einen Trinkspruch! Getrunken wird auf:
🔲👆👆
Auf was?
☝️☝️
Auf 🙏?
Ja, (bekreuzigt sich).
Alles klar, auf den Herrgott — und runter damit. Das war dann das vierte Glas auf Ex — und die Schnapsgläser hier sind halbe Eimerchen!
Gut, dass wir zwischenzeitlich aufgegessen haben. Die Kids und ich verschwinden zum Klo, Vinnie- zahlt und bis wir uns alle am Auto wieder treffen, hatte er noch zwei weitere „Cagnac“ und hat zudem schon fest vereinbart, dass wir in vier Tagen auf der Rückreise wieder einkehren werden.
Weiter geht die Fahrt. Immer entlang des riesigen, türkisgrünen Stausees. Bald wird die Straße schmaler, bleibt bis auf einige Schotterstellen aber zweispurig. Zudem gibt es weiterhin wenig Verkehr und die paar Lastwagen, die uns begegnen, treffen wir auf freier und breiter Strecke und nicht an den haarigen Stellen.
Die gibt es vor allem dort, wo Tunnel noch im Bau sind oder eben an Stellen, wo Teile der Straße abgerutscht sind. Dann geht es das betroffen Stück einspurig und über Schotter entlang.
Aber an vielen Stellen gibt es bereits Tunnel. Allerdings liegt seltsamerweise auch in den Tunneln manchmal Geröll, da muss man aufpassen, vor allem, weil die Tunnel unbeleuchtet sind und man im ersten Moment beim Einfahren aus der prallen Sonne ins Dunkle ja nicht gut sieht. Einmal steht im Tunnel auch eine Kuhherde, der Fahrer vor mir sieht sie rechtzeitig und durch sein Bremsen bin auch ich vorgewarnt. Das ist bequem und wir fahren laaaaange Zeit hinter diesem Auto — auch ein X5, aber schmaler (älter?) — dessen Fahrer sehr, sehr vorsichtig (manchmal nervig übervorsichtig) fährt. Bestimmt auch ein Touri im Leihwagen, denken wir.
Der will wohl auch nach Mestia? Aber irgendwann fährt er rechts ran und ab da haben wir keinen „Vorkoster“ mehr. Dafür kann ich dadurch zügiger fahren, denn ich möchte unbedingt vermeiden, in die Dunkelheit zu kommen.
Dank zunehmend vieler „offroad“-Einlagen der Straße und der sich wegen der Berge endlos ziehenden Schlängelei klappt das nicht ganz, kurz vor Mestia hat uns die Dunkelheit eingeholt. Aber wir konnten die genialen Bergpanoramen gerade noch im Hellen genießen und es sind am Ende nur zwei, drei Kilometer, die wir wirklich im Dunkeln fahren.
Dann sind wir endlich da. Uff, das waren dann insgesamt doch sechs Stunden Fahrt und ich bin entsprechend dankbar, angekommen zu sein. Parken (seeeehr abschüssig, ich lege zusätzlich zur Handbremse sicherheitshalber noch Steine vor die Vorderräder), einchecken und:
Ein Bier!